Die Ankunft und Versorgung von Flüchtlingen wird aktuell vor allem als eine große Herausforderung und Belastung wahrgenommen. Mehr als 50 Millionen Menschen verzeichnet der Uno‐Flüchtlingsbericht aktuell weltweit auf der Flucht. Eine Vielzahl von ihnen hat sich auf den Weg nach Europa gemacht – auch nach Deutschland und NRW. Ihre Ankunft und Versorgung stellt Städte und Kommunen in NRW vor eine große Herausforderung – logistisch, wie auch in der Ausgestaltung des sozialen Miteinanders vor Ort.
Das Nett.Werkzeug will diese Situation auf kreative Weise umkehren. Aus der Belastung soll für die Städte und Kommunen in NRW eine Stärke werden, gesellschaftlich wie wirtschaftlich gesehen ein Potential. Dazu stellt die Nett.Werkzeug Plattform eine Reihe von Tools bereit, die geeignet sind, auf der Basis von Ersthilfe und Zweithilfe das Ankommen, die Versorgung und schließlich wirtschaftlich wie gesellschaftlich die Eingliederung der geflüchteten Menschen ins lokale Stadtgefüge zu unterstützen und damit Potentiale für den lokalen Markt zu erschließen, die ansonsten unzugänglich blieben. Diese Features des Nett.Werkzeugs sind individuell anpassbar – von den lokalen Akteuren jeweils abstimmbar auf die Bedarfe vor Ort.
Die Plattform bündelt Werkzeuge zur Koordination und Information an einem Ort, die bislang über verschiedene Wege zusammengesucht, bzw. aufeinander abgestimmt werden mussten.
Die Hilfsbereitschaft und Spendenbereitschaft der Menschen allerorten ist groß, doch mangelt es häufig an der Möglichkeit diese zu koordinieren und so abzustimmen, dass sie bedarfsgenau bei den geflüchteten Menschen ankommt. Hilfsorganisationen und Ehrenamtliche koordinieren sich über digitale Kommunikationswerkzeuge wie die Messenger‐Funktionen sozialer Plattformen, oder nutzen kollaborative Schreibtools um Arbeitsbedarfe und benötigte Spenden und Sachhilfen zu koordinieren – eine aus der Not geborene Vorgehensweise, die schnell unübersichtlich wird und auch für Frustrationen sorgen kann, wenn etwa Sachspenden zurückgewiesen werden müssen, weil vor Ort keine Möglichkeiten bestehen, diese zu lagern, bis sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder benötigt werden.
Die Nett.Werkzeug Plattform schließt diese Lücke. Sie bildet ein Werkzeug, das geflüchteten Menschen vor Ort wie auch (ehrenamtlichen) Helfern schnelle Orientierung und passgenaue Koordination von Hilfen und Sachmitteln ermöglicht. Dabei zielt sie nicht nur auf die dringend notwendige erste Hilfe und Unterstützung der ankommenden Menschen, sondern hat die Folgeschritte gleich mit im Blick: Orientierungsfunktionen bieten eine ständig aktualisierte Übersicht über rechtliche Rahmenbedingungen und aktuelle Nachrichten, Hilfestellungen für Wohnungssuche, Sprachunterricht, sowie soziale Angebote und Hilfen am jeweiligen Ort. Darüber hinaus setzt die Plattform auf innovative Weise auch auf das kreative Potential der geflüchteten Menschen: diese können Informationen und Erfahrungen auf kreative Weise darstellen, um sie anderen Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen.
Das Nett.Werkzeug bündelt damit nicht nur Wissen und Koordinationsleistungen an einem Ort, die zuvor an verschiedenen Stellen mühsam zusammengesucht werden mussten. Es ist dabei zudem flexibel anpassbar an die lokalen Bedarfe vor Ort.
Als Lösungsansatz wird ein partizipativer Ansatz verfolgt, der lokale Akteure aus den verschiedenen Bereichen in die Konzeption und Entwicklung der Plattform eng mit einbezieht. Ihr lokales Wissen, ihre Erfahrungen und Bedürfnisse bilden die Grundlage für die passgenaue Implementierung des Nett‐Werkzeugs.
Um diese Erfahrungen zu erschließen, begleiten die Wissenschaftler auf der lokalen Ebene einer Großstadt die professionellen wie ehrenamtlichen Helfer, sowie die geflüchteten Menschen selbst, um über qualitative Methoden aktuelle Arbeitspraktiken und Organisationsstrukturen, wie auch genutzte Tools und Hilfsmittel rings um Ersthilfe und Zweithilfe und das Ankommen der geflüchteten Menschen in der Gesellschaft zu erfassen. Über kreative, partizipative Formate werden geflüchtete Menschen und Helfer selbst an der Gestaltung von Informationen und Inhalten für das Nett‐Werkzeug beteiligt. Auf Basis all dieser Ergebnisse wird die Grundstruktur mit den notwendigen Features für die Plattform abgeleitet und in ein ansprechendes Design übersetzt. Es wird Schritt für Schritt iterativ umgesetzt und jeweils eng abgestimmt mit den lokalen Akteuren vor Ort.
Über den Projektverlauf entsteht so als Blaupause die Struktur einer Plattform, die anpassbar ist auf die individuellen Bedürfnisse von Städten und Kommunen.
Das Nett.Werkzeug Projekt wird im Rahmen des Leitmarktwettbewerbs „CreateMedia“ gefördert aus Mitteln des Europäischen Fond für regionale Entwicklung und vom Land NRW. Die Projektlaufzeit ist vom 01.11.2016 – 31.10.2019.
An verschiedenen Orten ist das Nett.Werkzeug bereits im Einsatz.
Bido, M., Aal, K., Weibert, A., Wulf, W. (2017). Translator Pool: Connecting Refugees and Volunteers. In: C&T 2017, Refugees & HCI Workshop, Troyes, June 2017.
Weibert, A., Aal, K., Vu, D., Wulf, V. (2017). Designing for Diversity: Development of a Platform Aiding Refugees. In: DIS 2017, ArabHCI-Workshop, Edinburgh, June 2017.
Nett-Werkzeug soll Flüchtlingen das Ankommen erleichtern / Menschen mit Fluchtgeschichte haben mitgewirkt. Siegener Zeitung, 02.12.16
NRZ, 02.12.16